Die Verdoppelung von Kemel - Volles Risiko für Heidenrod?!

  1. Die vier Kemeler Baugebiete

    Das Baugebiet „Kemel Süd“ erstreckt sich über 112.000 qm und soll rund 350 neue Wohnungen schaffen.
    Hinter der Römerhalle entstehen „Am Schlagweg“ 27-29 neue Reihenhäuser auf 1,5 ha.
    Weitere 10.600 qm Fläche sollen unterhalb des REWE -Marktes für ein Wohn- und Gewerbegebiet genutzt werden. Darüber hinaus ist geplant, auch das Gelände der Taunuskaserne neu zu bebauen. Insgesamt wird sich die Einwohnerzahl Kemels auf knapp unter 3.000 Einwohner erhöhen und damit verdoppeln.
  2. Weitere Infrastruktur statt Abbau von Unterhaltungsstau

    Die technische Infrastruktur unserer Gemeinde weist einen hohen Abnutzungsgrad und Unterhaltungsstau auf. Marode Straßen und Kanäle, überalterte Kläranlagen machen Ersatz- und Erhaltungsmaßnahmen notwendig.
    Friedhöfe und Dorfgemeinschaftshäuser sind defizitär, Kindergärten sind mit die größten Kostentreiber im Haushalt. Bürger werden mit hohen Straßenbeiträgen belastet.
    Diese finanziell angespannte Situation erlaubt es mitnichten, die bestehende Infrastruktur
    für die neuen Baugebiete zu erweitern bzw. mitzufinanzieren – und das auch noch zu Lasten der laufenden Unterhaltungskosten, damit die Grundstückspreise klein gerechnet werden können.

  3. Unsichere Grundstückspreise - Unsichere Finanzierung der Baugebiete

    Die Gemeinde wirbt damit, mit Baugebieten nichts verdienen zu wollen und bietet deshalb ihre Grundstücke nur zum Selbstkostenpreis an; d.h., alle anfallenden Kosten für die Baugebiete sollen auf die Grundstückspreise umgelegt werden.

    Die hohe Inflation, die derzeit nahezu explodierenden Baumaterial-Preise erschweren
    jedoch die Kalkulierbarkeit der Kosten enorm und damit auch eine realistische Ermittlung der Grundstückspreise.
    Eine Dynamisierung der Verkaufspreise wird zwingend erforderlich, will man als Gemeinde am Ende nicht drauflegen.

    Wer die tatsächlichen Verkaufspreise für die Grundstücke am Ende noch bezahlen will und kann, ist ungewiss – nicht zuletzt im Hinblick auf die stetig ansteigenden Bauzinsen.
    Baugrundstücke können sich nur noch Vermögende leisten.

    Die Bauträger, die für den Bau der geplanten Mehrfamilienhäuser in Kemel fest eingeplant sind, ahnen ein großes Geschäft, können sie doch in Zeiten von Materialmangel und hohen Preisen exklusive Kundschaft anwerben.
    Dabei werden diese Bauträger der Gemeinde aber nur so viel für die Grundstücke zahlen, wie es ihre Wirtschaftlichkeitsrechnung erlaubt.

    Fazit:
    Die Gemeinde läuft überall Gefahr, draufzulegen.
    Einen solchen drohenden Verlust tragen dann wir alle.

    Außerdem:
    Nicht wenige der Kosten für die neuen Baugebiete werden erst gar nicht den Neubaugebieten angelastet, sondern einfach der Unterhaltung der bestehenden gesamt Heidenroder Infrastruktur zugeordnet (bspw. bei der Wasserversorgung);
    mit dem Effekt, dass sich diese Neuinvestitions-Kosten im Grundstückspreis erst gar nicht niederschlagen – und stattdessen direkt bei uns Bürgern abgeladen werden.
    Auch das bedeutet:
    Wir alle zahlen mit, damit die Grundstückspreise in Kemel kleingerechnet werden können.

  4. Überalterung gegensteuern durch Familienzuzug & Mehreinnahmen generieren?

    In Heidenrod leben aktuell viele Rentner, die laut BGM Diefenbach keine Steuern einbringen und die Kosten für die Infrastruktur nicht mehr mitfinanzieren.
    Dieser „Überalterung der Heidenroder Bürger“ möchte BGM Diefenbach mit dem Zuzug von jungen Familien begegnen, um höhere Einkommenssteuer-Zuweisungen zu erzielen.

    Aber erst mal nur in der Theorie.

    Wir haben beim Hessischen Finanzministerium nachgefragt :
    Ein Einwohner- und Einkommenszuwachs hat mittelfristig keine Auswirkungen auf den Gemeindeanteil an der Einkommensteuer (Einkommensteuer-Zuweisung) und lässt sich
    auch langfristig nicht konkret beziffern.
    Grund dafür ist, dass Schlüsselzuweisungen immer für einen Zeitraum von 3 Jahren festgelegt werden und für eine weitere Aktualisierung ausschlaggebende Parameter noch gar nicht bekannt sind.
    Auch eine Prognose zu steuerlichen Veränderungen im Rahmen des Kommunalen Finanzausgleichs und Veränderungen beim Grundbetrag der Grundsteuer B ist nicht möglich.

    Eine Trendberechnung der Einkommenszuwächse durch die Baugebiete würde entweder auf gänzlich unbekannten Daten oder starken und willkürlich ausgewählten Annahmen beruhen. (bspw. Anzahl der veranlagten zusätzlichen Einwohner, Höhe der Höchstbeträge etc.)

    Deshalb wäre eine Trendberechnung keinesfalls aussagekräftig oder gar belastbar.

    Fazit:
    Es ist also keineswegs sichergestellt, dass der massenhafte Zuzug nach Kemel die erhofften Mehreinnahmen erzeugt.
    Ebenso unbekannt ist es, ob die Folgekosten durch die erweiterte Infrastruktur (Wasserversorgung, Kläranlage, Straßen etc.) tatsächlich niedriger sind
    als die erhofften (Mehr)-Einnahmen.
    Im Hinblick auf den jetzt schon bestehenden Unterhaltungsstau in allen Ortsteilen besteht hier ein weiteres großes Risiko, das am Ende alle Heidenroder (mit) zu tragen haben.

  5. Gemeinde ist personell und finanziell überfordert

    Ein Projekt in den Dimensionen von Kemel Süd gerät für unsere Gemeinde in vielerlei Hinsicht
    „eine Nummer zu groß“.
    Zum einen verfügt die Verwaltung nicht über ausreichend geeignetes Fachpersonal, das ein solch überdimensioniertes Projekt eigenständig planen kann.
    Deshalb wurden für die Projektierung des „Jahrhundertprojektes“ bereits zahllose Planungsbüros für Abertausende von Euro in Anspruch genommen.
    Die Kosten dafür tragen wir alle.

    Auch die Vorfinanzierung der Erschließungskosten für das Baugebiet Kemel Süd überfordert unsere Gemeinde maßlos.
    BGM Diefenbach betonte in der jüngsten Sitzung des Finanzausschusses am 7.7.22,
    dass die Gemeinde Heidenrod nach wie vor hoch verschuldet sei.

    Deshalb greife man jetzt nach der Idee, die Erschließung des „Jahrhundertprojektes“ über eine Partnerschaft der Gemeinde mit privaten Investoren zu stemmen. Ein Rechtsanwaltsbüro wurde eigens und für 65.000 Euro engagiert, ein Konzept dazu entwickeln, wie unsere Gemeinde zusammen mit Geldern privater Investoren die Erschließungskosten für das riesige Baugebiet stemmen könnte.

    Machen wir uns nicht vor – die privaten Investoren – nach denen europaweit gesucht werden soll -wollen bei der Sache nicht ohne Gewinn herausgehen.
    Damit sich eine Erschließungsgesellschaft, die diese Privatinvestoren als „starke Partner“ mit unserer Gemeinde begründen sollen, für diese auch rentierlich gestaltet, müssen die Grundstücks-Käufer tiefer in die Tasche greifen, denn der Grundstückspreis steigt dadurch.
    Dabei müssen die privaten Investoren jedoch kein Verlust -Risiko fürchten.

    Denn:
    Sollte der Grundstücks-Verkauf aufgrund hoher Grundstücks-Preise, der historischen Inflation,
    dem steten Anstieg der Bauzinsen etc. nur schleppend vorangehen oder gar zum Erliegen kommen,
    entsteht ein Verlust. Den trägt jedoch die Gemeinde - und damit wir alle - ganz alleine.

    Das hat der referierende Rechtsanwalt, Dr. Boos, in der Ausschuss-Sitzung am 7.7.22
    mehrfach betont.

  6. Baugebiete schaffen Wohnraum für Fremde

    Unter den Interessenten für die Kemeler Baugebiete finden sich vor allem Auswärtige, wohnungssuchende Rhein-Main-Bürger, für die Grundstücke in Heidenrod günstig erscheinen.
    Das scheint von der Gemeinde auch so gewollt – in der FAZ erschien bereits ein großer Werbeartikel
    für die Kemeler Baugebiete, der „verzweifelten Großstädtern“ die Rettung aus ihrer Wohnungsnot verspricht.
    Dass sich die Bauland-Entwicklung in den anderen 18 Ortsteilen Heidenrods für die nächsten Jahrzehnte auf einzelne Bauplätze wird beschränken müssen, hat das Regierungspräsidium bestätigt. Für die Heidenroder Bürger bedeutet dies einen weiteren Tribut, den sie dem Kemeler Jahrhundertprojekt zollen müssen.

    Fazit:
    Wir Heidenroder Bürger werden mit zur Kasse gebeten, profitieren aber selber nicht von dem riesigen Baugebiet in Kemel.
    Wir „gewinnen“ nur die schiere Größe, erzeugt durch überdimensionales, sprunghaftes Wachstum
    in nur einem Ortsteil. Mit dem Effekt, dass die anderen 18 Ortsteile Benachteiligung erfahren, denn für sie sieht der Regionalplan keine Entwicklung in Form eigener Baugebiete mehr vor.

  7. Bürgermeister bekommt höheres Gehalt

    Bisher zählt Heidenrod rund 8.400 Einwohner. Überschreitet die Einwohnerzahl die 10.000er Marke, bekommt ein Bürgermeister eine weit höhere Besoldung - und für den Rest des Lebens eine höhere Pension.

  8. Verkehrs -Problem ungelöst

    Die Verkehrsanbindung der geplanten Baugebiete an die B 260 ist nach wie vor nicht ausreichend geklärt, es existiert kein tragfähiges Verkehrs-Konzept.
    Das vorliegende Gutachten stellt lediglich fest, dass der Knoten Taunuskaserne schon jetzt,
    ohne den zu erwartenden Neuverkehr durch die neuen Baugebiete (ca. 4.500 Fahrten zusätzlich pro Tag ) und die Erweiterung der Firma Kopp (ca. 175 Fahrten täglich mehr),
    bereits völlig überlastet ist und zwingend ertüchtigt werden muss.
    Eine Ampelanlage wird als denkbar vorgeschlagen – es existiert kein belastbarer Nachweis dafür,
    ob die Leistungsfähigkeit des Knotens damit sichergestellt werden kann.
    Die Hoffnung auf neue Arbeitszeitmodelle und verstärktes Homeoffice erfüllen sich nicht – im Gegenteil : mit abnehmendem Pandemie-Geschehen wird das homeoffice wieder rückläufig und es ist bereits jetzt zunehmender Pendler-Verkehr zu verzeichnen.

  9. Wasserversorgung für ganz Heidenrod gefährdet

    Die Wasserversorgung der geplanten Baugebiete ist nicht nachweislich gesichert.
    Es liegt lediglich eine Konzeptstudie vor, wie die quantitative Wasserversorgung für die zusätzlichen Einwohner Kemels sichergestellt werden könnte, indem Eigenwasser puzzleartig verschoben wird, um Kemel mit mehr Fremdwasser versorgen zu können.
    Das birgt ein Risiko für ganz Heidenrod, denn wenn die eigenen Brunnen ausfallen, sind keine Reserven vorhanden.
    Der unbedingte Vorrang der Wasser-Versorgung für die eingesessenen Heidenroder Bürger vernachlässigt und führt darüber hinaus eine extreme Verknappung der Wasser-Ressourcen herbei, unter der alle anderen 18 Ortsteile - auch im Hinblick auf deren Bauland (Entwicklung) leiden müssen.

    Die nicht neue Idee - Trinkwasser sparen durch Nutzen von mehr Brauchwasser – soll auch bei Kemel Süd ablenken von dem ungelösten Problem einer gesicherten Wasserversorgung.
    Deshalb wird der Einbau von Zisternen (bereits seit 30 Jahren Bauvorschrift) auch für die Grundstücke in Kemel Süd verbindlich vorgeschrieben.
    Nicht vorgeschrieben wird allerdings die Installation von Brauchwasserleitungen, ohne die eine Zisterne nutzlos bleibt.
    Es bleibt also dem Bauherren überlassen, ob er den Mehraufwand für eine Installation von Brauchwasserleitungen tätigt und tatsächlich Zisternenwasser nutzt – und letztlich
    tatsächlich Trinkwasser einspart.
    Dabei ist anzumerken, dass Bauherren nach anfänglichem Gebrauch ihre Zisterne oft nicht mehr weiter nutzen, weil ihnen die Betriebskosten dafür zu hoch werden: Neben regelmäßigen Wartungskosten ist - je nach Qualität der eingebauten Zisterne- bspw. alle paar Jahre eine neue Pumpe fällig.

    Generell müsste die Gemeinde also nicht nur den Einbau der Zisternen überprüfen, sondern auch deren laufenden Betrieb, um wirklich Trinkwasser einzusparen . Auch wäre Gemeinde-seitig sicherzustellen, dass extra Zähler gesetzt werden, um für das aus der Zisterne genutzte Brauchwasser auch die entsprechenden Abwasser-Gebühren berechnen zu können.

    In den bereits bestehenden Baugebieten der Gemeinde Heidenrod wird diesen Erfordernissen bisher nicht nachgegangen – weshalb die Gemeinde gegenwärtig gar keine Aussage darüber treffen kann, wie viele Haushalte in Heidenrod tatsächlich Zisternen -Wasser verbrauchen.

    Fazit:
    Mit der fehlenden Vorschrift für die Installation von Brauchwasserleitungen bleibt die Einsparung von Trinkwasser durch erhöhten Brauchwasser-Verbrauch nur ein frommer Wunsch und kann die extreme Trinkwasser-Verknappung in ganz Heidenrod durch das riesige Baugebiet nicht aufhalten.

  10. Landwirtschaft und Ausgleichsflächen

    Wertvolle Ackerfläche wird für die Baugebiete vernichtet, verdichtet, versiegelt – gerade jetzt, in Zeiten der Lebensmittelknappheit, in denen deutlich wird, wie wichtig es ist, sich als Land selbst versorgen zu können.

    Auch für Ausgleichsmaßnahmen soll wertvolles Ackerland umgewidmet werden.

    Die geplanten Ausgleichsmaßnahmen gleichen einem Flickenteppich an Einzelmaßnahmen,
    die die in Kemel Süd am Stück für Bauland vertane Fläche von 11 ha niemals wirklich „ausgleichen“.

    Auch werden diverse Flächen in Heidenrod für viel Geld und mit Willkür als Ausgleichsflächen für die Kemeler Baugebiete zurückgebaut - ohne zu prüfen, inwieweit dies überhaupt erforderlich ist. (bspw. Rückbau der alten Bäderstraße für 850.000 Euro!)

  11. Artenschutz und Ökologie – „Klimaneutralität“

    Klimaneutral bauen zu wollen ist ein Irrglaube: Überall wird CO2 erzeugt, sei es der Einsatz von Baumaschinen, das Fahren von LKWs, bei der Herstellung von Baumaterialien, bei der
    An- und Abreise von Bauarbeitern;
    wertvolle Ackerflächen, die bisher eher CO2 vermindert haben, werden zugebaut und für Niederschläge versiegelt.

    Der Natur- und Artenschutz wird nur sehr ungenügend berücksichtigt. Die Obere Naturschutzbehörde hat erhebliche Bedenken gegenüber dem Bebauungsplan für Kemel Süd angemeldet; von der Gemeinde dafür nachzureichende bzw. zu ergänzende Unterlagen, erfordern diverse noch vorzunehmende Prüfungen (incl. Wertungen) und liegen noch nicht vor.
    Die abschließende Stellungnahme der Oberen Naturschutzbehörde wird erst nach Ende der Sommerpause erwartet. Eine Zustimmung dieser Behörden zu dem Vorhaben ist also noch offen.